1806 /07 wurden unsere Ahnen dem Namen nach Franzosen

  



Die durch Besatzungszeit der Franzosen im Jahre 1760
und vielerlei Umständen eingetretene Verschuldung der Gemeinde wurde auf ein Mindestmaß zurückgeführt
und es ging in Niederscheld wieder aufwärts.
Jedoch allzulange waren die friedlichen Zeiten nicht.

Die französische Revolution 1789 führt auch in Deutschland zu tiefgreifenden Veränderungen.
Unter dem Ansturm der französischen Revolutionsarmeen brechen die absolutistisch regierten Staaten zusammen,
die Großmächte Preußen und Österreich werden besiegt.
Die Kleinstaaten des Heiligen römischen Reiches Deutscher Nation werden von Napoleon,
seit 1804 Kaiser der Franzosen, vollkommen umgestaltet, darunter auch das Fürstentum Oranien-Nassau.
(Fürst Wilhelm VI. hatte nicht um die Gunst bei Napoleon gebettelt und hatte somit seine Länder verloren).
Das Dillenburger Land wurde 1806 dem Großherzogtum Berg mit der Haupt- und Residenzstadt Düsseldorf zugeschlagen
und wurde von Napoleons Schwager Murat regiert.
Unsere Ahnen wurden dem Name nach Franzosen und gehörten zum Siegdepartement.
Aus dem bisherigen Heimberger wurde ein "Maire". Niederscheld mit Eibach zu einer "Mairie",
zu einer Gemeinde mit Sitz in Niederscheld erklärt, unter Maire Frick, einem Niederschelder Einwohner.
Die Eingemeindungen haben sich anscheinend zur damaligen Zeit nicht bewährt.
Sehr rasch war nach der Niederlage der Franzosen 1813 der alte Zustand wieder hergestellt.

Alle jungen Männer mussten unter französicher Fahne dienen
und entzogen sich sehr oft durch Flucht in die Wälder dieser sicher nicht angenehmen Pflicht.
Die anfänglichen Sympathien für die Ideen der Revolution schwinden bald,
wegen drückender Steuerlasten und Zwangsrekrutierungen der französischen Fremdherrschaft.
Zu den zahlreichen Desertierten, deren Namen durch den Druck verbreitet wurden,
gehörte auch der am 29. Januar 1788 geborene Johann Peter Ruffy aus Scheld.
Ihn verurteilte die Obrigkeit in Abwesenheit zu fünfjähriger öffentlicher Arbeit und zu 500 Talern Strafe.

So begann der Johann Peter, bekannt unter dem Spitznamen "dr rosig Ruffi" ein Versteckspiel mit der Besatzungsmacht.
Der Ausdruck "rosig" bedeutet in unserem Dialekt soviel wie jähzornig - wild - aufbrausend.


Eine Überlieferung berichtet:

"In Niederscheld war durch die durchziehenden französischen Truppen
und der fortgesetzten Einquartierungen der Bestand an Lebensmitteln sehr knapp geworden.
Da kamen eines Tages von Dillenburg mehrere Franzosen zum Schelder "Maire" Frick
und verlangten kategorisch Essen und Trinken.
In der Eile konnte man nichts Passendes für diese auftreiben,
und da auch der Maire - der selbst nichts hatte - keinen Rat wusste,
nahmen ihn zwei Soldaten in die Mitte, um ihn nach Dillenburg zum Ortskommandanten zu bringen.
Zur damaligen Zeit führte der Weg nach Dillenburg am Lützelbachtal vorbei längs des Hammerberges
und mündete dort wieder in die "Alte Chaussee".
Am unteren Lützelbachtal lud gerade Ruffy eine Fuhre Holz auf seinen Wagen
und hatte sich richtig warm gearbeitet für ein Bravourstück.
Auf seine Frage nach der Bedeutung der militärischen Eskorte klagte ihm Frick seine Bedrängnisse.
Kurz entschlossen schnappte sich Ruffy einen handlichen Reiserprügel
und verabreichte den beiden Franzosen eine Tracht Schläge,
wie sie sie bestimmt noch nie im Leben erhalten hatten.
Die beiden flüchteten nach dieser "liebevollen" Behandlung und ließen sich nicht mehr sehen.

Nachdem die erste Wut vorüber war, wurde sich der Johann Peter Ruffy seiner Lage bewusst
und verschwand schleunigst von der Bildfläche.
Als ihn französische Soldaten suchten und ihm dabei bedenklich nahe kamen,
soll er sich einmal in der Krippe eines Ochsen,
der in seiner Wildheit keinen Fremden in den Stall kommen ließ,
versteckt haben und so der drohenden Gefangennahme entgangen sein.
Wie die Überlieferung weiter berichtet,
hat der Maire Frick später zum Gedenken an seine Rettung die Rottannen-Allee am Fuße des Hammerberges gepflanzt, die bis ins erste Viertel des 20. Jahrhunderts gestanden hat.
Die Bezeichnung Alleestraße erinnert noch daran".



Über weitere Begebenheiten berichtet Nix:

"Als einmal das Herannahen von Franzosen bekannt wurde,
flüchteten viele Einwohner mit ihrem Vieh in das obere Monzenbachtal.
Als sie nach einigen Tagen in den Ort zurückkehrten,
von Eisemroth kommende Franzosen hatten sie verjagt,
ließen sie die Pferde unter Obhut einiger Kinder in einem Versteck zurück.
Ihre List sollte ihnen jedoch nicht helfen,
denn am nächsten Tage zogen Soldaten durch den Ort,
welche die Pferde mit sich führten.
Die Geldsumme, welche die Franzosen verlangten, war schwer aufzubringen.
In einem Fall wollten die Soldaten das Vieh mit Beschlag belegen,
weil das verlangte Geld nicht beschafft werden konnte.
Sie machten schon Anstalten, es wegzutreiben,
# als ein opferwilliger Einwohner seinen unter der Diele versteckten Schatz opferte
und damit die ganze Gemeinde vor großem Schaden bewahrte".


Mit den Bergischen Truppen und Napoleons "Großen Armee" zogen 1811/12 auch zwei Schelder Einwohner mit nach Rußland,
ein Wilhelm Arnold und ein Philipp Menger.
Man hat von beiden nichts mehr gehört: wahrscheinlich sind sie im russischen Winter umgekommen.

Im Jahr 1813 schlug für unsere Gegend die Stunde der Befreiung von den Franzosen.
Doch machten sich die russischen "Befreier" bei der Bevölkerung unbeliebter als die ehemaligen Unterdrücker,
denn die neuen Herren trieben es schlimmer als die Vorgänger.
Die große Vorliebe für alkoholische Getränke hätte damals bald einem Einwohner des Ortes den Tod gebracht.
Zu dem Wirt Menger, der eine kleine Weinbrennerei hatte, kamen einige Russen und verlangten Branntwein.
Menger, dem sein guter Schnaps wahrscheinlich zu schade für die ungeladenen Gäste schien,
setzte ihnen eine Schüssel sehr stark mit Wasser verdünnten Branntweins vor.
Die Russen als Kenner ließen sich nicht täuschen, und wollten den Gastgeber nun mit den Waffen in den Händen zwingen,
die Schüssel selbst auf einen Zug zu leeren.
Da griff seine Frau, die im ersten Schrecken auf die Straße gelaufen war, zu einer List.
Voller Aufregung stürzte sie ins Zimmer und berichtete den Russen, am Dorfeingang sei ein großer Tumult;
wahrscheinlich sei ein Gefecht dort im Gange.
Eilig verließen die "Befreier" das Haus, um nicht wiederzukehren (nach Nix).

Nach Beendigung der Befreiungskriege wurde im Wiener Frieden (Kongreß 1814 -1815) das ehemalige Fürstentum Dillenburg aufgelöst
und dem Herzogtum Nassau zugeordnet.


Anmerkung:

Das Haus Nassau bestand Mitte des 18. Jahrhundert aus drei Hauptlinien:
* Nassau Diez
Durch Erbschaft erhielten sie die Statthalterschaft von Holland,
sowie Nassau-Dillenburg, Nassau-Siegen und Nassau-Hadamar und nannten sich seitdem Oranien-Nassau.
Die deutschen Länder wurden vom Haag aus regiert,
wo in einem besonderen deutschen Kabinett die nassauischen Angelegenheiten behandelt wurden.
Verwaltungssitz der deutschen Besitzungen war Schloss Dillenburg.
Dies zog ein Heer von Beamten nach Dillenburg.

*Nassau-Weilburg
*Nassau-Usingen
Am 17.07.1806 traten Friedrich-August von Nassau-Usingen
und sein jüngerer Vetter Friedrich Wilhelm von Nassau-Weilburg dem Rheinbund bei.
Die beiden Fürstentümer und Nassau Diez wurden zu einem Herzogtum vereint.
Das Herzogtum Nassau entstand unter dem politischen Druck Napoleons
und im Gegenzug erhält der Älteste Friedrich August den Titel eines Herzogs von Nassau.
Der jüngere Friedrich Wilhelm wurde Erbe, da Friedrich August kinderlos war.
Der Regierungssitz war Schloß Weilburg und später Wiesbaden.

Nassau-Dillenburg, Nassau Siegen und Nassau-Hadamar wurden dem Großherzogtum Berg zugeordnet,
welches Napoleons Schwager, Marschall Murat, erhielt.

Marshall Murat Grenadier von Marshall Murat
Marshall Murat Grenadier von Marshall Murat



Zeitweise wurde das Herzogtum direkt von Napoleon regiert.

Nach der Entmachtung Napoleons erhielt bei dem Länderschachen des Wiener Kongresses
Fürst Wilhelm VI. 1815 die niederländische Krone, musste aber dafür auf seine nassauischen Stammlande verzichten.
Im Tausch mit preußischen Besitzungen erhielt das Herzogtum Nassau,
welches 1806 von Napoleon aus der walramischen Linie gegründet wurde,
die Fürstentümer Nassau-Dillenburg, Diez und Hadamar dazu.
Nassau Siegen blieb in preussischem Besitz.

So waren die Dillenburger wieder Nassauer, und die Nassauer jenseits und diesseits der Lahn,
seit der Bruderteilung (ottonische und walramische Linie) von 1255 getrennt, wieder vereint.


Quelle:
Chronik Niederscheld
(Nix, Brück)