Hauptquartier der Franzosen in Niederscheld
-Zerstörung des Dillenburger Schlosses -
Dillenburger Schloss, gleich nach der Zerstörung 1760. - Zeichnung von C.H.Dörrien
Im 7-jährigen Krieg von 1756 bis 1763 kämpften Großbritannien/Kurfürstentum Hannover,
Landgrafschaft Hessen-Kassel, Braunschweig (einige kleine Reichsstände) auf preußischer Seite (Allierte)
und Frankreich, Rußland, Schweden, die Mehrheit der Reichsfürsten stellten sich auf Österreichs Seite.
Der Krieg wurde in Nordamerika, Indien, Karibik (Kolonien) und Mitteleuropa ausgefochten.
Der Konflikt zwischen den europäischen Großmächten zieht auch unsere Gegend in Mitleidenschaft
und bringt jahrelange Belastungen mit sich.
Die Franzosen rückten an, um gegen Preußen vorzugehen, um Hannover als Faustpfand gegen England zu gewinnen.
Der englische König war gleichzeitig Kurfürst von Hannover.
Das englisch-hannoveranische Heer stand unter dem preußischen General Herzog Ferdinand von Braunschweig
mit französischen Truppen im Kampfe und besiegte diese am 1.08.1759 bei Minden.
Ein Teil der Franzosen wurde durch Hessen über die Lahn bis an den Main abgedrängt,
während er selbst in Krofdorf bei Gießen sein Hauptquartier nahm.
Sein Ziel war nun zu verhindern, dass sich die am Main stehende Abteilung mit der französischen Heeresgruppe am Niederrhein verbindet,
welches nur durch das Dilltal möglich war.
Wichtig war es, die Dilltalstraße und das stark befestigte Dillenburger Schloß in die Hand zu bekommen und besetzt zu halten.
Das gleiche Ziel verfolgten die Gegner und machten die oranien-nassauischen Lande zum Kriegsschauplatz.
Da das Land neutral zwischen den feindlichen Parteien lag,
wurde die 1. Kompanie des Dillenburger Kreisbataillons (welches auch gleichzeitig die Schloßwache stellte) nach Driedorf "delogiert"
um Reibereien mit den Franzosen zu vermeiden.
In 1759 hatten sich wiederholt französische Abteilungen vorübergehend auf dem Schloß einquartiert
und sich Vorräte unter starkem Druck auf die Bevölkerung zusammengeholt.
Als der unter dem Herzog von Braunschweig stehende Hauptmann Otto Moritz von Düring am 5.11.1759 mit 100 Mann des Schloß besetzte,
kam es zum ersten Zusammenstoß mit den Franzosen.
Dem französischen Oberbefehlshaber, Herzog von Broglie, gelang es am 3.01.1760 mit 3000 Mann,
unter dem Befehl des Brigadegenerals Paravicini, die Stadt einzunehmen, aber das Schloß blieb in der Hand von Düring.
Herzog Ferdinand von Braunschweig konnte die Dillstraße nicht halten
und musste sein Hauptquartier weiter nach Marburg verlegen,
gab aber den Plan, die Stadt Dillenburg wieder zu befreien und seine Besatzung auf dem Schloß weiterhin zu stützen, nicht auf.
Schon in der Nacht vom 7. auf 8. Januar gelang es ihm durch einen kühnen Handstreich
die Belagerer zu überrumpeln und Dillenburg zurückzuerobern.
Vom Schelder Kaap aus leitete Herzog Ferdinand das Gefecht.
Bei den heftigen und harten Straßenkämpfen um die Stadt fiel der französische General Paravicini in der Nähe des Rathauses
und der hannoverische Major von Steuben beim Obertor.
Beide wurden im "adligen" Chor der Stadtkirche beigesetzt.
Die Franzosen zogen ab in Richtung Lahn und Main, wo sie Winterquartier nahmen.
Im Juni 1760 waren die Franzosen wieder über den Westerwald im Anmarsch.
Das Hauptquartier der Belagerungsarmee befand sich dann in Niederscheld (Nix, S.34 ).
Nach J. Brumm berichtet der Chronist weiter:
"Es war am 28. Juni, als ganz unvermutet ein Korps französischer Truppen
unter dem Kommando des Marquis des Cameras in Niederscheld
und einigen rückwärts gelegenen Dörfern einrückte.
(Ein Teil marschierte nach Eibach und Nanzenbach).
Eine Jägerpatrouille stieß den Vortrupp desselben bei Niederscheld auf,
und einer davon, so dort vom Pferd gestürzt, wurde gefangen;
die anderen kamen in der Nacht, nach einem genommenen Umweg, nach dem Schloß zurück.
Der französische Befehlshaber, der in Niederscheld sein Hauptqaurtier hatte,
ließ bald das Schloß auffordern,
allein der Kommandant schlug alle Übergaben gänzlich ab und verlangte,
dass man erst Kanonen bringen möchte, um ihn anzugreifen,
und da sich diesen Abend leichte Truppen bei dem Schelter Hammer sehen ließen,
wurde bisweilen mit Kanonen geschossen.
Die Garnison auf dem Schloß war sehr aufmerksam und gab sogleich auf alles Feuer,
das man ab dem 2. Juli ununterbrochen fortsetzte.
Das Feuer wurde natürlich mit einem Hagel von Geschossen auf Stadt und Land
von den Franzosen nachdrücklich erwidert.
Und zwar vom 4. Juli ab.
Am Horst soll eine französische Batterie gestanden haben.
(Beim Pflügen am Horst will man später noch Kugeln gefunden haben, Nix, S. 34).
Ferner erzählt man sich,
dass während der Belagerung eine Kugel einen Ast von der alten
(bis zum 4. März 1961, lt. Brück) beim Pfarrhaus stehenden Eiche abgeschlagen haben soll".
Inzwischen war auch schwere Artillerie unter Marquis de Fillay, der jetzt das Kommando führte,
herangekommen und nahm mit drei Batterien, die dieser bei der Kupferhütte,
am Feldbacher Wäldchen und auf der Eberhard in Stellung gebracht hatte, das Schloß unter Feuer.
Ein nächtlicher Sturmangriff auf das Schloss war von der Besatzung abgeschlagen worden.
Die Kanonade nahm nun von Tag zu Tag zu.
Am 11.07. gelang es den Franzosen eine Bresche in die Schloßmauer zu schießen.
"Am Sonntag, dem 13.07. gegen 12 Uhr erhob sich in den Straßen ein Geschrei, es brenne auf dem Schloß.
Eine Brandbombe - die Franzosen schossen von der Kupferhütte her mit glühend gemachten Kugeln -
hatte die Heuscheuer in Brand gesetzt, der auch bald auf die übrigen Schloßgebäude übergriff" (Becker S. 144).
Der Schloß-Kommandant von Düring sandte den Capitain-Leutnant von Lehsten
am 14. Juli als Parlamentär ins Niederschelder Hauptquartier,
wo der Generallieutenant Pierre Filley de la Côte,
am 15. Juli 1760, den aus 6 Punkten bestehenden Kapitulationsvertrag gegenzeichnete (Dönges).
Nach einigen Tagen zog die Belagerungsarmee unter de Filley mit der Artillerie Richtung Marburg ab.
Es rückten andere französische Truppen als Besatzungskommandos nach, die fast zwei Jahre in Dillenburg verblieben sind.
Über die Ausschreitungen der Soldaten, sowohl von der französischen wie Hannoveraner Seite,
unterrichten uns zwei Protokolle, die im Auftrag des Dillenburger Geheimrates von Rauschard aufgenommen wurden.
Es wurden insgesamt 108 Einwohner von Niederscheld, Oberscheld und Wissenbach amtlich unter Eid gehört.
Davon waren 52 Schelder Einwohner, die im Hause des Heimbergers Dörr ihre Aussagen zu Protokoll gaben.
Arg hausten die Franzosen bei Engelbert Happel. 20 Mann waren bei ihm einquartiert.
Er gab dem Unteroffizier zwar einen halben Gulden, um von den Soldaten nicht allzusehr belästigt zu werden.
Aber es wurde noch schlimmer. Ja er musste mit ansehen, wie sie das Fleisch den Dorfhunden vorwarfen.
Ähnlich erging es Johann Jost Preis d. J.. Da bewarfen sie sich gegenseitig mit Fleischstücken,
und das alles in einer Zeit großer Lebensmittel-Knappheit!
Die Soldaten des französischen Korps Fischer benahmen sich sehr ungesittet.
Dem Johann Jost Koch, sowie dem Johann Jost Ringel zogen sie auf offener Straße die Schuhe aus.
Der Johann Henrich Ebert verlor außer seinen Schuhen auch noch seine Strümpfe und wurde dann fort gejagt.
Und das im Winter, der Schnee lag fußhoch.
Auch wurden einige Einwohner von Niederscheld schwer geschlagen.
Der Johann Engelbert Nix, weil er seine Würste nicht hergeben wollte,
wurde mit Flintenkolben traktiert bis er ohnmächtig hinfiel.
Johann Jost Claas wurde nachts mit seiner Frau im Bett verhauen.
Sie ließen erst ab, als er 2 Gulden Bestechungsgeld gab.
Die Witwe von Johann Nix d. Ä. sagte aus:
"Ihr letzt verstorbener Mann hätte auf den Tag,
als das Dillenburger Schloß belagert worden, dahin als Boten müssen,
und die französischen Truppen hätten ihn daselbst angehalten,
die Hände gebunden und dermaßen geschlagen und elendig zugerichtet,
dass er von derselben Zeit an sich geklaget und davon,
wie sie nicht anders glaube, hiernächstens gestorben seye".
Etwas harmloser waren die Vorfälle, an denen die Hannoveraner schuld waren.
Zwei Einwohner büßten ihre Gartenzäune ein, drei mussten Lebensmittel hergeben
und vier bekamen ihre Schuhe und einzelne Wäschestücke entwendet.
Als Diebin betätigte sich eine Soldatenfrau,
die nach der Sitte der Zeit mit ihrem Mann, einem Kavalleristen, den Krieg mitmachte.
Aber nur einer hatte über Misshandlungen zu klagen:
Johann Engelbert Nix, den zehn braunschweig-bevernsche Dragoner im Herbst 1759 tüchtig verprügelten (Heiler in Heimatblätter 1936).
Aus dieser bewegten Zeit waren der Gemeinde Niederscheld eine stattliche Summe Schulden übrig geblieben.
Nach einer Aufstellung beliefen die sich auf 1066 Gulden, 2 Albus und 4 Pfennigen (nach Brumm).
In einer Schuldverschreibung heißt es:
..."oben gemeltes Geld ist vor die königl. Französischen Kriegskosten vor die Gemeinde angewendet worden".
Anmerkungen:
* 3150 zum Teil gühende Stein- und Eisenkugeln, 286 Bomben und 250 Granatenwurden bei der Belagerung auf das Dillenburger Schloß abgefeuert.
* Hauptmann von Düring, der die Gefahr nicht verkannte, blieb bis zuletzt auf seinem Posten,
da er mit dem Einrücken des Herzogs rechnete, der wohl über die Lage in Dillenburg falsch unterrichtet war.
Auch ein Liebesverhältnis des Kommandanten mit Christine Bierbrauer,
Tochter des auf dem Schloß wohnenden Fürstl. Bergdirektors Bierbrauer trug dazu bei,
die ihren Geliebten beschwor, die Festung zu halten.
Hat doch Christine am 20.01.1761 einem Kind das Leben geschenkt,
als dessen Vater sie den Kommandanten von Düring,
im Taufeintrag des Kirchenbuches der Dillenburger Schloßgemeinde, benannt hat (Nass. Htbl. 1937).
Auch in den Augen der Franzosen galt sie als die Maitresse von Dürings.
Die Tatsache, Christine habe sich auf den Wällen gezeigt und den Mut gehabt,
eigenhändig eine Kanone auf die Belagerer abzuschießen,
veranlasste einer ihrer Offiziere zu der spöttischen Äußerung:
Es habe ihn nicht gewundert, dass der hannoveranische Kommandant,
welcher einen so schönen Feuerwerker gehabt habe,
das Schloß bis zu seinem Untergang nicht habe verlassen wollen.
* 1760 gelang es französischen Truppen tief ins rechtsrheinische Gebiet vorzudringen
und trotz eines Sieges der allierten Truppen unter Ferdinand von Braunschweig,
(mit Unterstützung des Kronprinzen von Hessen-Kassel)
am 31. Juli 1760, in Warburg, konnte er nicht verhindern, dass die Franzosen wieder Hessen einnahmen.
Doch hielt er sie durch eine weitere Niederlage am 16. Juli 1761 in Vellinghausen in Schach.
Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel geb. 12. Januar 1721 in Wolfenbüttel, gest. 3. Juli 1792 in Braunschweig Schwager des preußischen Königs Friedrich d. Gr. Generalfeldmarschall in preußischen und hann. bzw. britischen Diensten. Befehligt seit 1757 die sogenannte "Combinierte Armee", Hannover Heer und norddeutsche Soldtruppen. Verteidigt Hannover und Hessen gegen französische Invasionstruppen an der Westflanke Preußens. Zeitweise führte er Truppen aus acht Nationen. Herzog Ferdinand galt als einer der fähigsten Feldherren seiner Zeit. |
Victor-Francois Duc de Broglie geb. 19. Oktober 1718, gest. 30. März 1804 in Münster 1759 nach der Niederlage des Marschalls Contades bei Minden Oberbefehlshaber und Marschall. Tüchtiger Feldherr der Franzosen im Siebenjährigen Krieg. |
Brigitte Höncher
zusammengestellt aus Chronik Niederscheld,
nach Arbeiten von Becker, Brück, Dönges, Heiler, Nix
Fotos Armin Thien
Blick zum Horst und zum Wilhelmsturm/Schloßberg