Die Glockenweihe 1919  



Für die Herstellung von Kriegsmitteln musste während des ersten Weltkrieges 1917/18,
eine der vorhandenen Bronzeglocken unserer Kirche abgegeben werden.
Phillipp August Nix, der insgesamt 25 Jahre im Schelder Gemeinderat war,
teilte zur Abgabe der Glocke einen ernst-heiteren Vorfall mit:

"Der damalige Bürgermeister Karl Heinrich Hofmann, (gen. Preise Karl) war sehr dafür,
die große Glocke wegen ihres schönen vollen Tones zu behalten,
so stieg er heimlich an einem Abend, mit einem schweren Vorschlaghammer bewaffnet,
auf den Kirchturm, um der kleinen Glocke einen Riss beizubringen.
Man kann sich vorstellen, wie ganz Niederscheld aufgehorcht hat, als in der Dämmerung diese "Glockenschläge" über das Dorf schallten!
Leider gelang es dem Bürgermeister nicht, die Glocke auf den Boden herunterzulassen,
denn ohne Schwingungsmöglichkeit wäre sie wahrscheinlich schnell gerissen.
So musste er nass geschwitzt, den Kampf aufgeben und hat später darüber gesagt:
"Aich ho se barwarisch gehahe, en ho se doch nedd kabudd gebrocht".

Nun musste doch trotz aller Bemühungen die große Bronzeglocke abgegeben werden.
Rincker in Sinn goss bei Buderus drei neue Stahlglocken, die nur als Übergangsgeläut gedacht waren
und doch an die fünfzig Jahre über das Dorf hallten.
Die überflüssig gewordene kleine Bronzeglocke erwarb 1921 die Kirchengemeinde Herborn.

3-Glocken
In 1967 wurden die Stahlglocken wieder durch ein Bronzegeläut ersetzt.
Die drei Glocken, die fast 50 Jahre über unser Dorf hallten, auch in der schlimmen Zeit des 2. Weltkrieges,
kann man in der Nähe der Friedhofkapelle besichtigen.

Die Dill-Zeitung vom Dienstag, dem 30. September 1919 brachte folgenden Bericht:

"Niederscheld, 29. September
Eine aus dem Jahre 1756 stammende Glocke der hiesigen Kirche war dem Weltkrieg zum Opfer gefallen,
die Schwesternglocke mit der Jahreszahl 1775 hat am gestrigen Sonntag zum letzten Mal die Gemeindemitglieder
zu einer gottesdienstähnlichen Feier gerufen.
Die Glocken sind in der Stahlgießerei Buderus in Wetzlar unter Leitung der Firma F.W. Rincker, Sinn, in Edel-Gußstahl gegossen;
sie boten im Schmuck festlicher Kranzgewinde einen prächtigen Anblick.

Glockenweihe 1919
Glockenweihe 1919    Foto: Richter

Die Feier der Glockenweihe wurde durch den Gesangverein Concordia eingeleitet,
indem dieser Schäfers Sonntagslied sehr wirkungsvoll zum Vortrag brachte.
Sodann hielt Pfarrer Wisseler die Weiherede unter Zugrundelegung des 46. Psalms mit Hervorhebung der Glockeninschriften:
Ehre sei Gott in der Höhe - Frieden auf Erden - Den Menschen ein Wohlgefallen!

Der vornehmste Beruf der Glocken sei der, die Gemeindeglieder zum Gotteshaus einzuladen
und zu der lebendigen Quelle des ewigen göttlichen Wortes zu rufen.
Auch die alte schöne Sitte der Betglocke zum Feierabend soll, dem Wunsche der Gemeindemitglieder folgend, wieder eingeführt werden.
Möchten uns die Glocken an unsere Bestimmung für die Ewigkeit gemahnen und deren Trost uns künden!
Mit Gebet und Weihespruch wurden die Glocken darauf zu ihrem Dienst geweiht.
Danach brachte der Gesangverein Orpheus den Männerchor "Ein Kirchlein steht im Blauen" sehr stimmungsvoll zum Gehör.
Mit dem gemeinsamen Gesang "Großer Gott wir loben dich" fand die erhebende Feier ihren Schluss.
Anlässlich der Übernahme der größten Glocke, die von der Zivilgemeinde als Brandglocke angeschafft worden ist,
fand noch eine Sammlung zugunsten der Brandgeschädigten in Schönbach statt, die 131 Mark ergab.

Nachdem in Wetzlar bereits ein Probeläuten stattgefunden hat, das die Hörer sehr befriedigte, sollen die Glocken,
die auf den Moll-Dreiklang gis - h - dis gestimmt sind,
in dieser Woche zum ersten Male von unserem Kirchturm erklingen und, wills Gott, zum kommenden Sonntag das Erntedankfest einläuten".

Am Montag, dem 8. Oktober 1919 stand dann in der Dill-Zeitung:

" Niederscheld, den 05. Oktober:
Die drei Glocken, die vorigen Sonntag ihre Weihe empfingen, wurden in dieser Woche im Kirchturm eingebaut,
so dass bereits am vergangenen Donnerstagnachmittag ein Probeläuten stattfinden konnte.
Allgemein ist man von dem schönen harmonischen Klang der Glocken befriedigt; sie machen ihrem Schöpfer alle Ehre".

Glocken mit Kapelle

Quelle:
Chronik Niederscheld
Anmerkung:

Nicht nur Glocken wurden für die Materialschlacht des 1. Weltkriegs geopfert und eingeschmolzen.
"Gold gab ich zur Wehr", "Eisen nahm ich zur Ehr"
die geschwärzte Eisenmedaille wurde verliehen von der Dt. Reichsbank
als Dank für Goldspenden und für die Zeichnung von Kriegsanleihen.
Bringt Euren Goldschmuck den Goldankaufsstellen, Aluminium, Kupfer, Messing, Nickel, Zinn, gebt es heraus - das Heer braucht es.
Für die Wertvorstellungen der Zeit, Fortführung des blutigen Krieges,
aus Patriotismus, spendeten die Bürgerinnen und Bürger ihr privates Gold gegen Papiergeld, das später wertlos wurde.