Brief von Familie Nix aus Amerika  



Am 25. Juni 1847 schreiben die Eheleute Heinrich Ludwig Nix und Johannette Elisabethe, geb. Breidenstein
an Mutter, Schwiegervater sowie Vater Andreas Breidenstein und alle Anverwandten in Niederscheld,
dass sie die achtwöchige Seereise mit dem eineinhalbjährigen "Wiesgen" gut überstanden haben.
Das Schiff ging am 19. April 1845 von Bremen ab und kam am 20. Juni bei Galveston an.

Segelschiff
So ähnlich mag das Segelschiff ausgesehen haben, bekannt ist nur das es "Ferdinand" hieß.

Hier erfolgte die Übernahme durch ein kleineres Schiff, das die Einwanderer an Land brachte.

In dem Brief steht weiter:

" Da lagen wir dann fünf Tage, da kamen Vereinswagen, die mit drei bis vier Joch Ochsen bespannt waren,
die luden uns auf und fuhren uns nach Neubraunfels, welches elf Tage dauerte.

New Braunfels (Neu-Braunfels)
ist eine deutsche Neugründung der Stadt Braunfels in Texas in den Vereinigten Staaten.

Neu-Braunfels 1851
Neu-Braunfels 1851 (Zeichnung)

New Braunfels wurde nach dem Landkauf (500 Hektar) vom 18. März
schon am 21. März 1845 im Auftrag des "Vereins zum Schutze deutscher Einwanderer in Texas"
("Mainzer Adelsverein") von dessen Generalkommissar Carl Prinz zu Solms-Braunfels gegründet.
- Sein Nachfolger im Amt, Otfried Hans Freiherr von Meusebach,
gründete außerdem 1846 die Siedlung Fredericksburg (Friedrichsburg) im Gillespie County,
benannt nach Friedrich Prinz von Preußen (1794-1863).

Am 9. Mai 1847 wurde der "private Friedens- und Freundschaftsvertrag
zwischen dem Generalkommissar des Vereins zum Schutze deutscher Einwanderer in Texas
und den Häuptlingen der Comanchen unterzeichnet.
Dieser Friedensvertrag ermöglichte die gefahrlose Besiedlung des Gebietes um Friedrichsburg
und das war ein Verdienst Meusebachs.
Meusebach hat trotz ungünstiger Umstände viel für die Auswanderer erreicht und konnte vielen helfen,
darunter auch Landsleuten aus seiner Geburtsstadt Dillenburg.
Otfried Hans, Freiherr von Meusebach wurde am 26. Mai 1812 in Dillenburg, Wilhelmstraße 16,geboren
und starb am 27. Mai 1897 in "Loyal Valley".
In Fredericksburg werden zur Erinnerung alljährlich an Ostern die Einwanderungsgeschichte,
der Friedensvertrag und die friedlichen Indianerbesuche als Theaterstück im Freien aufgeführt.
In New Braunfels findet jeden November anläßlich der deutschen Wurzeln das sogenannte Wurstfest statt.
Beide Städte haben einen beachtlichen deutsch-amerikanischen Bevölkerungsanteil.

Siedler um 1845
Deutscher Einwandererzug in Texas (Zeichnung)

Da wurden wir unter freiem Himmel auf der Prärie abgeladen. Ich lag elf Wochen krank an einem Fuß.
Wie ich wieder gehen konnte, baute ich mir ein kleines Häuschen.
Da fing ich mit dem Zimmermeister Lück von Gemünden an zu arbeiten und verdiente jeden Tag einen Dollar.
Ich arbeitete das Jahr bei ihm, das andere Jahr arbeitete ich für mich und verdiente mehr.
Ich schaffte mir in kurzer Zeit sechs Kühe mit Kälbern an, dass ich jetzt 18 Stück Rindvieh und ein schönes Reitpferd habe.
Ich habe auch 50 Hühner, sechs Gänse und etliche Tauben: kurz, es geht uns gut und ich bin zufrieden.

Und nun lieber Schwager Heinrich, (Johannes Heinrich Breidenstein) was willst Du wissen:

Das Klima ist heiß, aber doch gut Land. Im Sommer gibt es schwere Gewitter mit starkem Regen.
Im November fängt der Winter an; es gibt starken Regen, auch Eis und strengen Nordwind.
Es sind auch wilde Menschen hier, die heißen Indianer, sprechen gut Englisch, sind kupferfarben, haben langes schwarzes Haar.
Sie kommen in die Stadt und bringen Fleisch und allerhand Häute zum Verkauf und vertragen sich sehr gut.
Bären sind auch hier, Klapperschlangen, Panther, Krokodile, aber wild und tun nie Schaden.
Die Klapperschlange wächst bis sechs Fuß lang und wird so dick wie ein Arm. Jagdtiere sind Hirsche, wilde welsche Hühner.

Eisenwerke können nie angelegt werden, weil vors erste das Wasser viel zu tief liegt und vors zweite keine Mineralien hier sind.

Lieber Schwager Johannes Peter (Johannes Peter Breidenstein),
Land habe ich keins, und wir können auch schwerlich nach San Saba kommen, wo wir unser ganzes Land haben sollen.
Ich habe aber doch zehn Acker und ein Stadtlos mit einem Haus von zwei Waisenkindern gegen Verpflegung auf drei Jahre gelehnt,
wo ich mich recht gut ernähren kann.

Nun denke ich, du kämst zu mir, dann kaufe ich mir ein Stück Land und habe doch Hilfe nötig.
Denn hier ist es doch besser.
Hier ist man Herr von sich, niemand hat einem zu befehlen.
Hier braucht man vor keinem Menschen, vor keinem Teufel die Kappe oder den Hut abzuziehen, alles ist frei und gleich.

Wenn du kommen willst, kannst du deinen Vater mitbringen, und so gebe ich dir die Kraft (Vollmacht) deiner Schwester ihr Vermögen mitzubringen.
Wenn du willst, dann bringe du dir ziemlich Leinenes mit, Sommerzeug von verschiedenen Sorten, einige Paar Schuhe, aber ohne Nägel.
Bei uns ist alles teurer als bei euch.
Wenn du kämst über Bremen oder Antwerpen, so kaufe dir Zwieback, Essig, Cognak, Kaffee
- solches hast du auf dem Schiff nötig zu brauchen,
indem die Seereise wenigstens sieben bis acht Wochen dauert und die ganze Reise, von zu Hause bis hier, 4500 Stunden lang ist.

Wenn du auf das Schiff trittst, so wünsche ich Dir und Deinen Kameraden Gottes Hilfe und Beistand.
Im Namen Gottes, des Vaters. Denn es ist keine Kleinigkeit.."
Die letzten Zeilen richtet Heinrich Ludwig Nix "mit betränten Augen" an seine Mutter, die er nicht mehr wiedersehen wird.
Er denkt, daß sie im Himmel einander umarmen werden.

Johannette Elisabethe hat noch einen Anhang geschrieben:

"Hier trägt der Mais ein. Von drei Acker hat man das Jahrbrot.
Ihr, meine Lieben, ich wünsche mir immer, wenn doch die Meinigen bei uns wären.
Ach, lieber Vater, wenns Euch möglich wäre, dann kommt mit unserem Johannes.
Wir haben es recht gut. Wir haben an allem keinen Mangel.
Wir haben in diesem Winter ein Schwein geschlachtet, das wog 200 Pfund.
Ich habe diesen Winter alle Tage für einen halben Dollar Milch verkauft.
Und dieses Schreiben, was mein Mann getan, ist alles wahr. Wir haben 18 Stück Rindvieh, 50 Hühner, sechs Gänse und Tauben.
Wir haben uns einen Waschkäfel (?) gekauft, der kostet zehn Dollar.
Wir haben uns eine Mühle gekauft, kostet acht Dollar. Hier muss man noch selbst Müller sein.
Wir haben uns für 18 Dollar Zinn gekauft.
Ja, wir haben uns vieles gekauft. Ich habe auch vieles verdient, wir haben Kostleute.
Jetzt immer brauchten wir noch Land. Wir wollen uns bei Neubraunfels ankaufen.
Hier kostet der Morgen wie in Deutschland die Ruthe.
Lieber Bruder, wenn du kommst, lass einen starken Wagen machen.
Den bringst du mit, dann ist uns geholfen. Ochsen haben wir dann. Dann können wir unsere Arbeit selbst tun. Hier ist alles teuer.
Nun, Gott wolle uns alle gesund lassen. Dem lieben Gott danke ich alle Tage für unsere Gesundheit.

Wie wir nach Neubraunfels ankamen, da stand hier eine Hütte und dort eine Hütte, aber jetzt ist es eine große Stadt.
Nun, wer kommt, der lehne keinem Menschen keinen Heller Geld, es muss denn sein Bruder oder Schwester.
Ich muss schließen. Wir sind noch alle gesund. Ich bleibe Eure getreue Tochter und Schwester.
Gegrüßt seid ihr 100.000 Mal

Elisabethe Nix

Ich muss noch erinnern von unserem Freund Hofmann.
Er ist bald immer krank. Er hat noch kein Vieh. Ich tue an ihm, als wenn er mein Bruder wäre.
Er wohnt eine Viertelstunde von hier. Da soll auch eine Stadt hin. Sie haben sich ein Stadtlos gekauft.
Sie haben sich ein Haus drauf gebaut.

(Anmerkung: Die Mutter von Johannes Peter Hofmann war eine geb. Breidenstein, Juliane)

Und lieber Bruder, du kannst mitbringen, was du willst. Die Leute haben sich Bettladen mitgebracht.
Hier kostet eine sieben Dollar. Bring du auch deinen Ofen mit und alle frischen Samen.
Ich muss noch etwas erinnern von unserem lieben "Wiesgen".
Ich fragte es, was soll ich deinem lieben Großvater oder Großmutter schreiben? Sie sollen etwas Gutes mitbringen, sagte es.
Und Bruder, lasst euch vom Verein (Texasverein) überfahren. Dann kommt man schneller auf das Wasser.
Ich muss noch schreiben, wieviel hier ein Wagen kostet zu machen: 200 Dollar.
Wenn du die Waage zum Teil erhalten hast, so bringe du auch die Waage mit.

Die Abschrift des Briefes ist erhalten, den sein Schwager Johannes Heinrich Breidenstein in sein Tagebuch aufgenommen hat.

Heinrich Ludwig Nix ist am 27.07.1850 in New Braunfels/Texas gestorben.
Johannette Elisabeth Nix heiratet im Jahr 1850 Karl August Wiersdorfer.


Anmerkung:

In diesem wenig erschlossenen Land erwarteten die Schelder Kolonisten ein mühseliges und hartes Schicksal, um ihre Existenz zu sichern.
Viele der Auswanderer überlebten nicht die Überfahrt und es wurden ganze Familien durch Seuchen und Krankheiten hingerafft.
(siehe auch "Von Dillenburg nach Texas" von U. Hatzfeld).





Aus der Schelder Chronik geht hervor,
daß im April 1850 Johann Peter Breidenstein, geb. am 20.10.1820,
mit seiner Ehefrau Elisabeth, geb. Günther aus Wallau nach Amerika ausgewandert ist.
Hier handelt es sich um den im Brief angesprochenen Schwager und Bruder Johannes Peter,
der wahrscheinlich dem Rufe seiner Verwandten gefolgt ist.
Frau Minna Weinert, aus Dillenburg, Urenkelin von Johannes Heinrich Breidenstein,
entsinnt sich, der Erzählung ihrer Mutter, Helene Heus, geb. Breidenstein,
dass ein Angehöriger der Familie dem Ludwig Heinrich Nix nachgereist sei.

Später wanderte noch eine Tochter von Johannes Heinrich Breidenstein (geb. 1813-1880),
Theodore Christina Scheld, geb. Breidenstein * 18.09.1841 mit ihrem Ehemann Wilhelm Ludwig Emil Scheld
mit 3 Kindern, von Wetzlar aus nach Syracuse/Nordamerika aus.
Die Königlich preußische Entlassungsurkunde datiert Coblenz den 3. Mai 1889.



Im Jahre 1992 waren Nachkommen der Johannette Nix, geb. Breidenstein, aus Texas in Niederscheld auf der Suche nach ihren Vorfahren.
Andy und Janet Harron, Renton, WA 98056

Auch ein Nachkomme der Theodora Christina Scheld, geb. Breidenstein
war im gleichen Jahr in Niederscheld auf der Suche nach seinen Vorfahren
und konnte durch Gisela Buckard, geb. Breidenstein und deren Nichte Brigitte Höncher fündig werden und entsprechende Unterlagen erhalten.
Siehe auch Zeitungsartikel vom 9.08.2003, Joan und Americole Biasini, Gäste aus den USA besuchen die Schelder Kirmes.


Verf. Brigitte Höncher