Botanische Wanderung in der Ohell
Willi Hecker, Botanik-Experte, geb. am 22.02.1931 in Niederscheld,
erkundete, fotografierte und mikrospierte viele Jahre die heimische Pflanzenwelt.
Sein umfangreiches Wissen hat er in zahlreichen Exkursionen an Erwachsene und Kinder weitergeben.
Viele Pflanzen sind unter verschiedenen volkstümlichen Namen bekannt.
Hierzu hat er manche heitere Anekdote oder auch lustige Begebenheit von unseren Vorfahren erzählt.
Für sein Engagement in der heimischen Natur erhielt er den Umweltpreis der Stadt Dillenburg.
Willi Hecker ist am 21.07.2008 gestorben und wurde auf dem Friedhof in Niederscheld beerdigt.
(hö) Zu einer botanischen Wanderung in die Ohell hatte die NABU-Ortsgruppe
Niederscheld für den Pfingstsonntag eingeladen.
Vorsitzender Helmut Nix konnte eine beachtliche Gruppe begrüßen, die
Näheres über die Schätze unserer heimischen Flora wissen wollten.
Unter der fachkundigen Leitung von Willi Hecker und Helmut Nix ging
es vom Friedhofsparkplatz aus
durch die Wiesen des Dilltals am Fuße des Hegetalskopf entlang Richtung
Ohell.
Neben am Weg wimmelte es von Walderdbeeren.
Aber nur die echte Waldbeere hat eine süße Frucht, konnten die Naturfreunde
erfahren
- liegen die Blätter auf der Frucht,
so hat diese kein Aroma und es handelt sich um eine Knack-Erdbeere
(Fragaria viridis). Der deutsche Name besagt,
dass ein leichtes Knacken beim Abnahmen der Erdbeere zu hören ist.
Zahlreiche Pflanzen konnten bestimmt werden, wie
Pfaffenhütchen
Beinwell
Akelei
Bibernelle
Wiesenstorchschnabel
rote Lichtnelke
Ackerwinde
weise Lichtnelke
Herbstzeitlose
Männertreu
Wiesenglockenblume
Wiesen-Blatterbse
die reichlich Nektar bringt,
Die Brennessel, welche eine begehrte Pflanze unserer Vorfahren war,
stellte man doch aus den Stengeln das Nesseltuch her.
Dann ging es auf einem schmalen Fußpfad weiter durch den Wald.
Die Ohell, eine Bergnase zwischen Niederscheld und Burg ist umsäumt von der Dill
und bietet einen natürlichen Lebensraum für Pflanzen und Tiere.
Hier finden sich seltene Farne und Moosarten, die aber nur auf gefährliche Weise, kletternd zu erreichen sind.
Auch wenn der Weg einmal feucht und sumpfig und der Abhang zur Dill steil war,
konnten die Teilnehmer über 80 Pflanzen und Kräuter bei dem Rundgang kennenlernen.
Darunter viele Kräuter, die zur Medizin gehören oder auch giftig sind.
Hecker, der sich bestens auskennt, gab hierzu Tipps, wie sie zu unterscheiden sind.
Auch über das brauchtümliche Kräuterholen unserer Vorfahren konnte er berichten.
So ist eine interessante Pflanze das Fuchs-Kreuzkraut (Senecio fuchsii).
Das Kreuzkraut hat nichts mit dem Kreuz zu tun,
sondern kommt von "Greis" = altersgrauer Mann.
Dem entspricht auch der lateinische Name senex = der Greis.
Das Kreuzkraut müßte Greiskraut heißen
und ist nur durch ein Verhören zu seinem jetzigen Namen gekommen.
Dem zuglahm gewordenen Vieh half man mit dem Fuchs-Kreuzkraut wieder auf. Es wurde auch Ochsen- oder Pferdekraut genannt.
Im Hessenland ist die Pflanze auch bekannt unter dem eigenartigen Namen "kommwirrer".
Es sollte die versiegte Milch bei den Kühen "wiederkommen" lassen.
Auch als Wundheilmittel ist das Fuchs-Kreuzkraut früher sehr geschätzt gewesen.
Noch heute wird es von den mit Rheuma, Gliederschmerzen und steifen Gelenken geplagten Menschen als Tee gebraucht.
Interessant für die Alchimisten des Mittelalters war auch der Frauenmantel.
Der Name "Frauenmantel" bezieht sich auf die Blattform,
die an eine Pelerine erinnert.
Wollte man einem Mitmenschen deutlich machen, dass er ein "Hohlkopf" ist,
also nichts im Kopf hat,
so wurde ihm die Pflanze Klappertopf an die Haustüre gehängt.
Der Name Klappertopf bezieht sich auf die reifen Kapseln, in den die Samen beim Schütteln rascheln = klappern.
Auch die unter Naturschutz stehende Vogelnestwurz
(Neottia nidus-avis),
die Orchidee des Jahres 2002 ist in der Ohell zu finden.
Diese fäulnisbewohnende Waldorchidee zeigt nicht die gewohnte Farbenpracht,
denn sie besitzt kaum Chlorophyll, sondern entnimmt ihre Nährstoffe aus den Wurzeln anderer Pflanzen oder von Bodenpilzen.
Die Einzelblüten sind beigebräunlich nach Honig durftend.
Das dickfleischige Wurzelgeflecht sieht einem Vogelnest ähnlich und hat der Pflanze ihren Namen gegeben.
Eine bei uns selten vorkommende Pflanze ist die Mondviole,
auch ausdauerndes Silberblatt (lunaria rediviva) genannt, die laut Hecker nur an wenigen Stellen im alten Dillkreis vorkommt.
Auch die unscheinbare Haselwurz konnten die Teilnehmer in der Ohell entdecken.
Ein weiteres, wenn auch nicht botanisches "Highlight" war eine kleine Schwalbenschwanzraupe, die den Weg der Gruppe kreuzte.
Zur Verteidigung stülpte die Raupe eine Nackengabel (Osmaterium) aus, die einen unangenehmen Geruch verströmte.
Ziel der dreistündigen Wanderung war dann das schmucke Domizil der Vogelschutzgruppe am Waldlehrpfad im Hustenbachtal.
Hier konnten die Teilnehmer ihren Durst stillen und wer noch Zeit hatte,
konnte sich bei Helmut Nix über unsere heimischen Vogelarten informieren sowie eine umfangreiche Schmetterlingssammlung bewundern.
Die Vogelschutzgruppe Niederscheld ist unter Telefon 02771-80 15 29 erreichbar.