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Historisches
Die Kirmes entstand aus der Kirchweih.
Dem Fest, welches am Tage der Kircheneinweihung gefeiert wurde.
Wann die erste Kirche in Niederscheld geweiht wurde ist nicht mehr
feststellbar.
1488 tauchte zum ersten Mal der Begriff "Schelder Kirmes" auf
Früher war die Kirchweih ein Ausgleich für die vergangene arbeitsreiche Zeit von der Frühjahraussaat bis zur eingebrachten Ernte im Herbst. Für die heranwachsende Jugend hatte der Kirmestag noch eine besondere Bedeutung als eine Gelegenheit zur Abrechnung von Ehrensachen untereinander. Dabei wurde aller Groll, der sich im Laufe des Jahres angesammelt hatte, ausgefochten, aber nicht mit Worten, sondern mit Fäusten und Latten. Nach der Kirmes sah man dann noch Wochen danach verbundene Köpfe und Hände.(P.Dilger)
Die Eigenarten der Schelder Kirmes, die sie von anderen Orten unterscheidet, liegen darin, daß jeder Festtag durch überlieferte und genau eingehaltene besondere Bräuche und Handlungen geprägt ist, und das die Kirmes nur alle zwei Jahre stattfindet.
Bis ins 17.Jahrhundert wurde jedes Jahr eine Kirmes abgehalten, aber der Dreißigjährige Krieg und die nachfolgende Verarmung ließen es ratsam erscheinen, nur jedes zweite Jahr zu feiern, -- dann aber richtig --.
Vorbereitung der Kirmes
Der Veranstalter der Kirmes ist die Burschenschaft.
Dazu gehören alle unverheirateten Burschen und Mädchen.
Bei der ersten Kirmesversammlung wird das geschäftsführende Komitee
ernannt,
und die acht Ältesten Burschen gewählt. An der Spitze steht der Kirmesvater
und die Kirmesmutter.
Die holen die Genehmigung des Bürgermeisters ein.
(In früheren Zeiten war die Obrigkeit nicht gewillt, unter der Jugend
lasche Sitten einreißen zu lassen
und machten die Genehmigung von gewissen Voraussetzungen abhängig).
Wenn die Genehmigung vorliegt, beginnt die Arbeit der "Acht
Ältesten".
Besonders hilfreich sind hier die Statuten.
Der fest umrissene Verlauf der Kirmes hat sich anscheinend erst ab
Mitte des 19. Jahrhunderts herauskristallisiert.
Das Zusammenfassen der Bräuche, die genauen Statuten und das strikte
Einhalten der einmal aufgestellten Regeln tragen dazu bei,
unser Kirmesbrauchtum zu erhalten.
Letzte Kirmesversammlung
Am Donnerstagabend wird im Festzelt die letzte Kirmesversammlung
abgehalten.
Wenn an diesem Abend so gegen 20 Uhr die Kapelle zum Festzelt zieht,
ist inoffiziell die Kirmes eröffnet.
Hier erklingt dann zum ersten Mal der Kirmesmarsch.
Bei dem Marsch handelt es sich um den "Alten Jägermarsch".
Kirmessamstag-Fackelzug
Am Kirmes-Samstagabend stellt sich der große Fackelzug auf.
Gegen 20.30 Uhr wird vom "Stein" aus mit drei Böllerschüssen die Kirmes
angeschossen und sofort setzt die Musikkapelle ein.
Und wenn man die Spitze des Zuges mit der roten Laterne der Feuerwehr
um die Ecke biegen sieht,
und der Widerschein der Fackeln stärker und stärker an den Hausgiebeln
spielt,
dann hat die langersehnte Schelder Kirmes wirklich angefangen.
Auf der Schelde-Brücke, in der Nähe des ehemaligen Rathauses,
bekommt nach Abspielen eines Musikstückes der Bürgermeister den großen
Kirmesbrezel,
eine Kiste Zigarren und eine Flasche Wein überreicht.
In einer kurzen Ansprache dankt ihm der Kirmesvater, dass er die Abhaltung
der Kirmes genehmigt hat
und der Burschenschaft den gemeindeeigenen Festplatz unter den Linden
- "Inner de Abbelware" oder auch "Ossewoase" - genannt, zur Verfügung
gestellt hat.
Der Zug zieht von einem Gasthaus zum anderen und jeder Wirt bekommt
ein Ständchen gebracht,
wofür er sich bei den Musikern und den "Acht
Ältesten" mit einem Glas Bier oder einem "Kurzen" bedankt.
Dieser Brauch des Ständchenbringens stammt mindestens aus dem 18.
Jahrhundert.
Der Fackelzug löst sich "Unter den Linden" auf, und der Kommers beginnt.
Nachdem Kirmesvater und Bürgermeister die Gäste begrüßt haben
beteiligen sich die ortsansässigen Vereine an der Ausgestaltung der
Feier.
Jeder der kann, nimmt in Scheld an der Kirmes teil, vom Ärmsten bis
zum Reichsten und vom Jüngsten bis zum Ältesten.
Die Kirmes ist durch lange Tradition eine geheiligte Einrichtung
- wehe denen, die etwas Abfälliges über sie äußern oder ihr Zustandekommen
durch irgendwelche Machenschaften in Frage stellen!
Kirmes-Sonntag
Am Sonntagmorgen versammeln sich die "Acht Ältesten" Burschen und
Mädchen beim Festwirt
und schmücken dort den Hammel mit den gekauften Bändern.
Sonntagnachmittag 14 Uhr setzt sich nach drei Böllerschüssen der Festzug
in Bewegung.
An der Spitze marschieren stolz und aufgeregt die Schulkinder,
dann folgt der Hammelführer mit dem Kirmeshammel,
der Kirmesvater, Kirmesmutter mit dem Bürgermeister,
anschließend die acht ältesten Burschen und Mädchen von der Burschenschaft.
Diesen werden die beiden Kirmestücher vorausgetragen.
Es folgen sämtliche Niederschelder Vereine und den Schluss macht die
Mordgeschichte.
Im Zug sorgen die Spielmannszüge und die Kirmeskapelle für den nötigen
Rhythmus.
Der Zug bewegt sich durch das festlich geschmückte Dorf mit seinen
froh gestimmten Zuschauern auf den Festplatz,
und nun kommt ein interessanter Vorgang der Schelder Kirmes.
Auf dem Tanzboden stellen sich die Burschen auf der einen und die
Mädchen auf der anderen Seite auf,
die Musik spielt an, und jeder Bursche geht auf sein Mädchen zu und
"greift" es zum Tanz.
Am Kirmesmontag holt sich das Mädchen seinen Burschen bei den "Drei
ersten Tänzen".
Dieser originelle Brauch hat sich angeblich um 1860/61 beim Bau der
Köln-Gießener Eisenbahn eingebürgert.
Da die fremden Arbeiter den Schelder Burschen die Mädchen wegholten,
wurde festgelegt,
dass die drei ersten Tänze am Sonntag (und Montag) den Kirmespärchen
gehören.
(Vielleicht können aber auch hier die letzten Überreste eines sehr
alten Brauchtums zu suchen sein.
Siehe dazu Mitteilungsblatt des Herborner Geschichtsvereins, Okt.
1964, S. 65, O. Käser; Brautwerbespiele.)
Nix schreibt auf S. 61:
"Am Sonntagabend lädt das Mädchen den Burschen zum Abendessen
ein,
während dies am Montag die Pflicht des Burschen ist.
Aus den Nachbarorten sind viele Gäste gekommen, um sich die Schelder
Kirmes anzusehen,
wird sie doch wohl an keinem anderen Ort so gefeiert wie hier.
Ohne jeder Störung verläuft das Fest;
jeder Friedensstörer wird sofort von den Kirmesburschen,
die eine strenge Polizei üben, vom Festplatz entfernt".
Schlimm ergeht es dabei den Schlägern, die glauben, auf dem Festplatz
ihre Kräfte zeigen zu müssen.
Sie werden, egal ob Einheimischer oder Fremder, ohne Erbarmen von
den Burschen in die Dill geworfen,
und kaltes Wasser beruhigt bekanntlich sehr schnell!
Von solchen seltenen Zwischenfällen, wenn sie wirklich einmal vorkommen,
lässt man sich doch nicht die Laune verderben.
Und wenn dann alles in heiterster Stimmung ist,
ziehen die Schelder um 19 Uhr mit den Kirmestüchern, den Vereinsfahnen,
der Kapelle und den "Acht Ältesten" voran ins Dorf.
Schon das Aufstellen vor dem Zelt ist ein Gaudi und dauert an die
zehn Minuten.
Alle rufen, um die "blaue Stunde" zu überbrücken, öfters lauf: "Wem
ess de Kirmes? - Uuhser!".
Nachdem der Zug auf der Rathaus-Brücke ein- oder mehrmals rundmarschiert
ist,
trennen sich die Festteilnehmer und jeder speist möglichst schnell,
damit er pünktlich um 20 Uhr wieder im Zelt sein kann.
Kirmes-Montag
Am Montagmorgen um 7 Uhr versammeln sich die Burschen pünktlich beim
Festwirt.
Wer zu spät oder überhaupt nicht kommt, zahlt Strafe.
Die Mitglieder der "Mordgeschichte" brauchen nicht zu erscheinen,
denn sie sind meist schon seit 4 Uhr auf und haben sich und ihren
Wagen zurecht gemacht
und ziehen schon ab etwa 6 Uhr durchs Dorf.
Es sind die Burschen um die neunzehn, zwanzig Jahre, also die Musterungsjahrgänge,
die irgend eine humorvolle Überraschung im stillen vorbereitet haben.
Auf dem Festplatz beginnt zwischen halb zehn Uhr die Frühmusik.
Die verheirateten Frauen der 50jährigen nehmen einen kräftigen Schluck,
veranstalten Kissentänze und jeder freut
sich seines Lebens.
Auch die 50 jährigen Männer haben ein Amt
bei der Kirmes zu verwalten.
Sie machen einen schönen mit Bändern und Blumen geschmückten Kirmespohl
zurecht
und dieser muss von jedem Ehemann, der nach der letzten Kirmes geheiratet
hat "gehälst" werden."
Im Montagsfestzug marschiert die Kolonne der Pohlhälser gesondert
mit.
Am Montagmittag wird wieder ein Festzug zusammengestellt,
der natürlich um vieles bunter, fröhlicher und origineller ist, als
der am Sonntag.
In diesem beschwingten Zug marschieren die Vereine und Gruppen
dann im umgekehrter Reihenfolge wie am Sonntag, damit jeder zu seinem
Recht kommt.
Kirmesbeerdigung
Der Dienstagmittag ist der Verlosung von Kirmeshammel und Tüchern
gewidmet.
Diese Verlosung geschieht in Gegenwart des Bürgermeister oder seines
Vertreters.
Den beiden Gewinnern werden am Nachmittag mit der Kapelle ein Ständchen
gebracht,
ebenso dem Kirmesvater und der Kirmesmutter.
Gegen Abend wird von der Mordgeschichte mit viel Radau und Wehklagen
die Kirmes begraben.
Aber trotzdem findet sich am Dienstagabend noch einmal alles im Festzelt
ein.
Überhaupt ist der Dienstagabend für die Schelder ein schöner Festabschnitt.
Aber in der Nacht geht die Kirmes aber unerbittlich ihrem Ende entgegen,
was manchem mit großem Durst und "der Leber auf der Sonnenseite" gar
nicht recht ist.
Doch zuletzt sind noch immer alle satt geworden,
denn auf einer Schelder Kirmes sind bei schönem Wetter schon mehr
als 130 bis 140 Hektoliter Bier verzapft worden!
Zwei Wochen später feiert gewöhnlich die Burschenschaft ihre Nachkirmes.
Alles in allem sind die Schelder Kirmestage eine wunderschöne Zeit,
die man im Leben nicht vergisst.
Es sind Tage, die wie leuchtende Farbtupfen in unserer gehetzten und
manchmal so farblosen Welt stehen.
Wenn man richtig mitfeiert, dann sind diese Tage aber auch sehr anstrengend
für Körper und Geldbeutel,
und noch tagelang hört man den Ruf in den Ohren:
Wem es de Schelder Kirmes? Uuuhser!
Quelle:Niederscheld - Geschichte und Schicksal eines hessischen Dorfes. / A.W.Brück