Bericht von Karl Heinrich Hofmann (Preise Karl )
Bürgermeister in Niederscheld von 1911 bis 1920
Handschriftlicher Bericht von Karl Heinrich Hofmann:
Januar 1954
Meine erste "Auslandsreise" mit dem ehemaligen Gesangverein "Concordia" Niederscheld
Im Mai 1892 war der Gesangverein "Concordia" Niederscheld eingeladen zu einem Sängerfest nach Niedereisenhausen, Kreis Biedenkopf.
Zu dieser Zeit hatte man bei uns noch die Bezeichnung "Hinterland." für diesen Kreis, welcher zum Regierungsbezirk Kassel gehörte.
Die Eisenbahn dorthin wurde erst im Jahre 1911 eröffnet.
Wir fuhren an einem schönen Maiensonntag mit vier Pferdefuhrwerken nach dem 21 Kilometer entfernten Festorte.
Das eine Fuhrwerk gehörte dem Vereinswirte August Walter, ein anderes dem Dirigenten Weisgerber in Herborn.
Die anderen beiden Fuhrwerke gehörten hiesigen Pferdebesitzern.
Über die Wasserscheide wurde abgesessen, besonders galt dies für die Jüngeren.
In Gönnern wurde die erste Frühstückspause eingelegt, dann hatten wir noch zwei Orte zu passieren bis zu unserem Endziele.
Wo wir uns weiter verpflegt haben, ist mir nicht wieder erinnerlich; nur eines steht mir noch in Erinnerung, dass wir drei vom Jahrgang 1874:
Ferdinand Hofmann (Bertholds Vater)
Adolf Frick
Karl Heinrich Hofmann
uns sehr gefreut haben über unsere erste sogenannte Sängerfahrt.
Einer von uns war sehr belustigt über die "Zwickel" an den Beinen der Hinterländer-Mädchen auf dem Tanzboden.
Über die Chöre, welche mir sangen, ist mir noch erinnerlich:
Diese beiden Lieder haben wir auf unserer Heimreise, die uns viel länger erschien als die Hinreise noch oft gesungen.
Dass noch ungewollte Bekanntschaften die Rückreise verzögerten, soll nur nebenbei erwähnt werden.
Dass mit dieser Sängerfahrt eine Eheanbahnung bezweckt wurde, soll nur am Rande bemerkt werden.
Im nächsten Jahre 1893, welches ein ausgesprochenes Dürrejahr war, fanden keine Veranstaltungen statt.
Im Jahr 1894 besuchten wir in Haiger das Fest der "Liedertafel" eine Jubiläumsfeier (60 jährig) und sagen den Chor:
Im gleichen Jahre, auf den Sonntag vor dem Herborner Martinimarkt, wie alljährlich,
gaben wir das erste Concert, wie zu dieser Zeit diese Veranstaltungen benannt wurden.
Wir gaben auch ein Drama in drei Aufzügen von Th. Körner "Hedwig". Graf Felseck, war meine Rolle, die mir zugedacht;
wer die Spielleitung hatte, ist mir nicht mehr bewusst.
In Oberscheld habe ich mir einen Jägerrock geborgt, weil hier kein Jäger (Förster) wohnte.
Über den Erfolg, auch nicht über mein Auftreten, kann ich keine Angaben machen.
Im Verlaufe des Winters wurden (außer am Martinimarkt) noch drei Veranstaltungen aufgeführt.
Die Vorbereitungen hierzu waren nicht immer eine angenehme Sache.
Die Leseproben wurden ja meist in Privatwohnungen abgehalten; hingegen auf der Bühne war die Temperatur oft wenig angenehm,
denn der Wirt konnte wegen der Proben den Saal nicht heizen.
Heute mag ich mich nicht zurückwünschen an diese Zeit;
denn alle drei Gesangvereine (Neu-Concordia seit 1895) wollten doch auf der Höhe bleiben.
Heute denke ich, hättest du doch einen Sprachfehler gehabt,
dann wäre dir manche Kritik über deine Betätigung auf der Bühne erspart geblieben.-
Eine Wandlung zu meiner Betätigung auf der Bühne (Laienspieler, wie man sie heute heißt) trat ein,
als die Gemeinde mich Anfang 1911 zum Bürgermeister wählte.-
Dass ich mich ab 1947 mit 73 Jahren noch aktiv an dem Aufbau meiner Notwohnung betätigte,
ist Grund genug, die gesellschaftlichen Betätigungen, auch im Gesangverein, zurückzustellen.
Es dürfte jedoch bekannt sein, dass bei jeder größeren Veranstaltung ( z.B. in Herborn, Sept. 1952) ich anwesend war.
Sammlung Brigitte Höncher
Anmerkung:
* In Niederscheld gab es drei Gesangvereine:
Concordia, gegründet 1860,
Orpheus, gegründet 1881
und die Neue Concordia, gegründet 1895.
* Die einzelnen Vereine des Dorfes beteiligten sich an einer sehr regen Laienspiel-Tätigkeit.
Die drei Gesangvereine spielten auch Volksstücke mit Gesang.
Unter der Leitung von Louis Hild wurde in den zwanziger Jahren die erste große Operette in Niederscheld aufgeführt.
Drei ausgefeilte Aufführungen im Saale Held bereiteten den Boden vor für einen glanzvollen Operettenabend
im Dillenburger Kurhaus und im Nassauer Hof in Herborn.
Die musikalische Begleitung übernahm die Stadtkapelle Dillenburg.
* Das Wohnhaus von Karl Heinrich Hofmann (gen. Preise Karl) in der Neugasse,
wurde bei dem großen Bombenangriff in 1945 vollkommen zerstört.
Er baute daraufhin seine Scheune (genannt Notwohnung), in der Neugasse, als Wohnung aus (jetzt Haus Krisse).