De ganze Hedd  



Ein schöner warmer Sommernachmittag liegt über dem Nassauerland.
Auch auf der Schelderhütte hat eine gewisse, geruhsame Stille um sich gegriffen.
Aus dem "Comptoir" des Betriebsleiters, der ein rechtes Kind unserer Heimat,
ein gemütlicher Hüttenmann vom alten Schlag ist, klingt ein gedämpftes, solides Schnarchen!

In diesem Geräusch geht das zaghafte, respektvolle Anklopfen des neuen Bürostiftes unter.
Der steht zwei, drei Minuten vor der Tür, nimmt sein Herz in beide Hände, klopft nochmals fest,
drückt die Tür auf und steht mit Herzklopfen im Allerheiligsten. Und da - welch erhabener Anblick:
Der Chef der Hütte hat seinen Stuhl zurückgeschoben, den Kopf gegen die Wand gelehnt,
die Hände über dem respektvollen Bauch gefaltet und schläft!

Unser Stift steht und wartet und wartet und wartet und kann den unbegreiflichen Anblick gar nicht fassen.
Mit Gebrumm und Gesurr naht Hilfe! Ein dicker, blauer Brummer landet auf der Glatze des Gewaltigen,
inspiziert die Gegend und Umgegend, gerät auf die Stirn und von da auf die Nase, krabbelt ins linke Nasenloch und
- mit Hatschie - schlägt der Herr des Betriebes die Augen auf!
Richtet sich langsam auf, sieht den ehrfurchtsvoll blickenden Stift lange streng an und spricht die bedeutungsvollen Worte:
"Jong, wann aich su de Aache zuuho, da mußte net denke des aich schlofe
- naa - da gitt mir de ganze Hedd durch de Kopp!"



Chronik Niederscheld
A.W. Brück, 1966