Das Gotteshaus in Niederscheld  

Die Kapelle bestand 1501 schon



Die Kapelle
Die erste Niederschelder Kapelle hatte etwa die Bauform wie die alten Kirchen von Feldbach, Ballersbach, Herbornseelbach und Eisemroth
und ist demnach, obwohl urkundliche Belege gänzlich fehlen, etwa zur selben Zeit, im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts, errichtet worden.

Die Form des Chores in dieser Baustufe war eingezogen, das heißt schmäler als das heutige Kirchenschiff,
das wohl im Grundriss noch dem ältesten Bau entspricht.
Ob dieses erste Bauwerk einen Chorturm besaß
oder nur einen einfachen quadratischen Chor, lässt sich heute nicht mehr feststellen.
Im Laufe der Zeit ist wohl der Gemeinde die Kapelle zu klein geworden und man umbaute,
wie damals üblich, den alten Chor mit einem größeren neuen.
Als die Ummantelung fertig gestellt war, brach man den kleinen Chor ab
und konnte durch diese Arbeitsmethode den Gottesdienst ohne größere Störungen aufrecht erhalten.
(siehe dazu Bericht von Dr. W. Bauer "Die Grabungen in der Kirche zu Feldbach bei Dillenburg", Heimatblätter 21, Jg. Nr. 1 und 2)

Da man in Niederscheld von Anfang an großzügig geplant hatte,
wurde der neue Chor sehr geräumig angelegt
und der Scheitel des Triumphbogens dementsprechend hoch angelegt
- er liegt zwei Meter über dem jetzigen Schiffs-Speicher.
Als aber der neue Chor stand, scheint irgend etwas quer gegangen zu sein
- vielleicht fehlten die Mittel.
Auf jeden Fall verbreitete man das alte Kirchenschiff nicht,
wie es sicherlich geplant war und was das Gesamtbild wesentlich günstiger gestalten würde.
Bei der Außenrenovierung im Herbst 1950 trug man auf Anregung von Dr. W. Bauer einen steinsichtigen Putz auf,
der verschiedene bauliche Einzelheiten am Kirchenschiff erkennen ließ.

  1. Die verputzte Fuge, beiderseits des Schiffes, ca 40 cm vor den Widerlagern,
    deutet auf den alten eingezogenen Chor hin und bezeichnet das Ende des ersten Gotteshauses in östlicher Richtung.
    Die Fuge ist an der Nordseite (Hauptstraße) am deutlichsten erkennbar.
    Anscheinend wurde das Schiff bei einem späteren Umbau auch etwas erhöht.

  2. Ebenfalls auf der Nordseite ist rechts über dem unteren,
    kleinen Schiffsfenster die Wölbung eines etwa 60 cm breiten gotischen Fensters erkennbar.

  3. An der Südseite ist links neben der Seitentür eine zugemauerte Tür,
    deren Rundbogen eine lichte Weite von etwa 75 cm hatte.

  4. Unter dem ersten linken Oberfenster in der Südseite
    ist ein ungefähr 40 cm breites, zugemauertes Fenster zu erkennen.


Das genaue Bau- und Umbaudatum der ersten Schelder Kapelle ist nicht bekannt und wohl auch nicht mehr festzustellen.
Im Jahre 1402 schloss Conrad von Mengerskirchen "Pastor der Kirchen zu Veltpach"
und Kanoniker des Stiftes "Unseren lieben Frau" in Wetzlar mit dem Kloster Keppel im Siegerland einen Vergleich.
< Geeinigt wurde sich über die Nutzung eines von dem "Weber seeligen"
von Niederscheld an den Sankt Nikolaus-Altar zu Feldbach gestiftetes Seelengerätes.
Als Seelsorger von Feldbach nimmt er die Einkünfte der Stiftung für sich und seine Amtsnachfolger vom Kloster Keppel zum Lehen.
(Nach dem Siegerländer Urkundenbuch, Teil I,77).
Niederscheld gehörte damals zum Kirchspiel Feldbach, später zum Kirchspiel Dillenburg.
Es ist anzunehmen, dass die Kapelle zu Niederscheld zu diesem Zeitpunkt noch ganz unbedeutend war,
sonst wäre die Zuwendung wohl dahin überwiesen worden.
Vogel schreibt unter anderem über Niederscheld: "Seine Kapelle bestand 1501 schon".
"Um 1500 hatte die Schelder Kapelle eine Wochenmesse von Dillenburg aus".
Etwa um 1530 führte Graf Wilhelm der Reiche (1516-59) langsam in Nassau-Dillenburg die lutherische Lehre ein.
Sein Sohn und Nachfolger, Johann VI (1559-1606) ersetzte zwischen 1577 und 1582 das lutherische
durch das reformierte Bekenntnis (Becker, S. 55 und 90).
(Siehe hierzu die Pfarrer Niederschelds). Dass die Kirche im Dreißgjährigen Krieg genauso gelitten hat,
wie alle anderen Einrichtungen und Menschen, braucht nicht betont zu werden.
Erinnern wir uns nur an die schreckliche Heimsuchung durch die Truppen des Grafen Mansfeld im Jahr 1635.
Beim Wachtfeuer verbrannten die Mansfelder das Gestühl der Kirche,
ließen das Glockenseil mitgehen und erschossen den Müller Daniel Weitzel.

Vom 17. Juni 1723 stammt eine Schuldverschreibung der Gemeinde
an den "Hochwürdigen Hochgelährten S. S. TH. Doctore und Proffesspre bey der Hohen Schul zu Herborn,
Consistorial Rath und Inspectore hiesigen Landes,
Herrn Johann Schramm und der Ehrbahren Frauen Magdalene Constantina als dessen Ehe Liebste".
Von ihm leiht die Gemeinde eine Summe von 200 Gulden,
"welche wir zur weiteren Ausbauung unserer Kirche verwendet".

Am 13. Januar 1724 leiht die Gemeinde weitere 200 Gulden bei Professor Schramm in Herborn:
...."welche wir weiter zur perfectionierung unserer Kirche verwendet".
Die Generalrenovierung zog sich wohl über mehrere Jahre hin,
denn am 27. Juni 1728 heiraten "bei der Kircheneinweihung zu Scheld"
der Christian Bartmann aus Dillenburg und die Anna Margareta Schmitt, Tochter des Hans Jacob Schmitt zu Niederscheld
(Schranz Heimatblätter, 1963 Nr. 12).

Im Jahr 1756 brannte das Dorf fast ganz nieder.
Bei dem Brand war auch der Dachstuhl der Kirche vernichtet worden
und die Reste der Glocken lagen zerschmolzen im Kirchenschiff.

Zwei Schelder Männer, welche auch der Gemeindevertretung angehörten,schickte man nach Frankfurt,
damit sie dort eine neue Glocke kauften.
Bei den Pfarrakten wird die Rechnung zu diesem Kauf aufbewahrt. Der Anfang lautet:

"Heute unter gesagtem Datum kauften die Gevollmächtigten
der Gemeindte NiederSchelt in dem Fürstenthum Dillenburg,
als Johann Wilhelm Cuntz Schulmeister und Johann Sommer Schloßer
und GemeinsMan daselbsten von uns Endesbekundter eine Neue Glocke welche 551½ Pfundt wiegt
und ist vor jedes Pfundt accordiert worden a. 33 Xer (Kreuzer) und beträgt alles an Geld 294 Fl 8 x.
Dagegen verkaufen die ohngefähr in 3 Wochen durch den Fuhrmann.....
Ihre alte zerschmolzene Glocke zu liefern, welche 216 Pfundt wiegen soll.
Sie nehmen das Pfundt a 22 x. Beträgt alles an Geldt 79 Fl. 12x".
Das Schriftstück trägt das Datum 17. Jener Anno 1757,
gez. Johann Georg Scheidewindt, Stück- und Glockengießer.
Der Rest der Summe wurde in vier weiteren Raten des Jahres 1757 bezahlt.
Etwa 20 Jahre später scheint man eine weitere Glocke ebenfalls bei Scheidewindt gekauft zu haben.

Es kamen verworrene Zeiten, die Franzosen machten die Gegend unsicher und erhoben hohe Kriegssteuern,
so dass die Gemeinde mehrmals bei verschiedenen Gläubigern Darlehen aufnehmen mussten.

Am 4. August 1761 hatte man auch bei dem Regierungs-Secretarius Friedrich Wilhelm Grüter zu Dillenburg
400 Florin Schulden gemacht, die 1769 zurückgezahlt wurden.
In der Urkunde heißt es:
zu wiederaufbauung unserer eingeäscherten Kirche".
Und von diesen verschiedenen Geldern konnte dann auch im Jahre 1762
u.a. der notwendige Aufbau der verbrannten Kirche zu Ende geführt werden
und davon zeugt die eine Zahl an der Turmspitze.
1764 leiht die Gemeinde, bei dem Ballersbacher Pfarrer Diltey und dessen Ehefrau
100 Gulden zu weiteren Verschönerung der Kirche.

......"welches Geld ich der Lieutenant Schreuel,
als der damaliger Bauherr von der branntgeschädigten Kirch,
daselbst, von dero WohlEhrwürden treuen Händen bahr empfangen,
und auch zu aufbaung gemelter Kirch,
zu Zahlung der Handwerks Leut- und andere darzu nöthigen Materialien verwendet habe".

Das Schriftstück ist am 16. Januar unterschrieben,
als Sicherheit wurde dem Ballersbacher Pfarrer die Gemeindewiese an der "Blickewiese" übereignet.
Vom 9. August 1768 liegt ein Schreiben der Fürstlichen Landesregierung vor,
mit welchem das Gesuch um eine Landeskollekte für die Kirche abgelehnt wird.

Es war wiederum kein Geld in der Kasse und man lieh beim Kammerrat Heimann
-am 3. Januar 1770- die Summe von 80 Gulden:
"........zur Bezahlung der aus der Thiergarten Kirche erkauften Cantzel und Stühl".

"Die Kanzel und das Kirchengestühl für die neue Kirche kaufte die Gemeinde
aus der fürstlichen Kapelle des "alten Hauses" im Tiergarten für 85 Gulden.
Das alte Haus lag im fürstlichen Forst Tiergarten und ist bekannt als Jagdschloß "Ludwigsbrunn".
Am 8. September 1722 erhob Fürst Wilhelm die Kapelle zu einer Hofkapelle.
Die Gebäude wurden, weil sie zu viel Unterhalt kosteten Ende des 18. Jahrhunderts abgebrochen".
(Karl Heinrich Hofmann, gen. Preise Karl).

Die Kanzel und die Kirchenstühle gehören noch heute (vielfach renoviert und zum Teil ersetzt)
zu der Inneneinrichtung der Kirche zu Niederscheld.

Eine Orgel wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts von G. Rassmann in Möttau bei Weilburg geliefert.
Ein Schild am Orgeltisch gab als Baujahr 1861 an.
Der weithin bekannte Niederschelder Pumpen- und Brunnenbauer August Menger
hat in seinem zuverlässig geführten Tagebuch eingetragen:
"Einweihe der Orgel auf den 24ten August 1862, gerade 100 Jahre nach dem Wiederaufbau der Kirche".

1899 wurden für die Kirche Doppeltüren angeschafft.
Im Jahre 1895 hatte bereits der Schreiner Kolb einen neuen Altar für 65 Mark geliefert.

Am 11. März 1902 heißt es:
"Es wird beschlossen, den Thurm der Kirche teilweise neu decken zu lassen".
Damit sind wir an der zweiten Zahl, die an der Turmspitze angebracht ist.

1919 ersetzt man das durch die Glockenabgabe im ersten Weltkrieg auseinander gerissene Bronzegeläut durch Stahlglocken.
In der Mitte der dreißiger Jahre brachte der Klempnermeister Rudolf Kirsten, der auf der Adolfshütte wohnte,
zum Teil auf eigene Kosten den Schalldeckel über der Kanzel an und überholte die Turmspitze.
Daher da oben auch die Jahreszahl 1936.

Im Frühjahr 1945 wurde die Kirche durch Bomben schwer beschädigt.
Nach Beseitigung der schlimmsten Schäden konnte das Gottehaus ab der Konfirmation 1946 wieder benutzt werden.
Am 25. Februar eines jeden Jahres, dem Jahrestag des schwersten Bombenangriffs auf Niederscheld
wird in der Kirche ein Gedenkgottesdienst gehalten.

Am 15.10.1967 bekommt die Kirche ein neues Geläut.
Die drei Stahlglocken aus dem Jahre 1919 werden durch 5 Bronzeglocken ersetzt,
die bei der Firma Rincker in Sinn gegossen wurden.

Glocken sind immer noch das äußere Zeichen, dass eine Kirche im Dorf ist.
Bedeutsam und charakteristisch für das ganze Auf und Ab im Leben Niederschelds
und der Niederschelder Kirchengemeinde sind die Worte des verstorbenen einstigen Niederschelder Pfarrers Johannes Conrad,
wenn er rückblickend auf die Schicksale Niederschelds sagt:
"Diese schweren Tage und Wochen sollen sollen nicht vergessen sein.
So wie das Gotteshaus inmitten der vielen Trümmern stehen blieb
- so soll auch das Wort Gottes unter uns bleiben".

Quelle:
Chronik Niederscheld
W. Nix u. A.W. Brück
700 Jahre Gemeinde Niederscheld